Herkunft, Leben und Wirken von Avalokiteshvara
Der Überlieferung nach lebte vor rund 2.500 Jahren ein mächtiger König, der vom Buddha Ratnagarbha Anweisungen für bestimmte Meditationen erhielt. Er führte diese bis zur Perfektion aus, erreichte das Nirvana und wurde zu Buddha Amithaba. Er gilt als leiblicher Vater des späteren Bodhisattva Avalokiteshvara und als sein geistiger Lehrer. Sein Sohn wollte unbedingt in seine Fußstampfen treten und strebte ebenfalls die Vollkommenheit an. Er brachte seinen Mitmenschen, Tieren und allen Lebewesen in seiner Umgebung so viel Mitgefühl und Liebe entgegen, dass er darin komplett aufging. Er trat selbstständig an Buddha Ratnagarbha heran und wählte wahre Worte, um ihn von seinem Bewusstsein des Mitgefühls zu überzeugen. So kam es, dass er im Beisein von Ratnagarbha den Erleuchtungsgeist hervorbrachte, was soviel bedeutet wie das Streben nach Erleuchtung zum Wohle aller Wesen. In dieser Situation richtete er nur einen Wunsch an den Buddha: Verleihe mir die Kraft, dass in der Zukunft allein das Aussprechen meines Namens dazu führt, dass das Leiden der Lebewesen besänftigt wird. Aus diesem Wunsch heraus entstanden zahlreiche Mantras, die als die Wirkungsvollsten unter allen Mantras gelten. Aufgrund des großen Mitgefühls und Erbarmens ist der Segen und Nutzen dieser Mantras um so größer, je schlechter die Zeiten und je größer die Leiden sind. Das bekannteste wird OM MANI PADME HUM genannt.
Avalokiteshvara gilt seither als der Buddha des Mitgefühls und in ihm verkörpert sich das Erbarmen sämtlicher Buddhas. Er ist der Schutzpatron Tibets und die Schutzgottheit der tibetischen Gelugpa Schule. Deren Oberhaupt, der Dalai Lama, gilt als Inkarnation von Avalokiteshvara.
Was bedeutet sein Name?
In unterschiedlichen Ländern ist er unter verschiedenen Namen bekannt. Avalokiteshvara heißt wörtlich übersetzt „der Herr, der (die Welt) betrachtet“ oder auch „der Herr, der auf die Welt herabschaut“. Aktuelle Forschungen zufolge lautete der Name jedoch ursprünglich Avalokitasvara, also „Wahrnehmer der Töne“ (Hörer der Klagen der leidenden Lebewesen). Diese Übersetzung entspricht genau der chinesischen Übersetzung Guanyin. Im tibetischen Buddhismus heißt er Chenrezig. In der Mongolei ist Avalokiteshvara volkstümlich als Migjid Janraisig, Xongsim Bodisadva oder Niduber Ujegci bekannt.
Avalokiteshvara ist hinsichtlich seiner religiösen Bedeutung der meistverehrte Bodhisattva. Sein Beiname lautet „der, der niemals die Augen schließt“. Er ist „der in Mitleid herabschauende Herr“, die Verkörperung tätiger Barmherzigkeit und er gilt als Retter und Beschützer in Gefahren.
Was wissen wir über ihn?
Avalokiteshvara gilt nicht ohne Grund als das Symbol der Reinheit. In der buddhistischen religiösen Ikonographie wird er mit einer Lotusblume in der Hand dargestellt. Der Mahayana Buddhismus stellt ihn als eine Person dar, die bereit ist, alles zu opfern, um seine Anhänger von den Zwängen dieser vergänglichen Welt zu befreien. Seine Juwelen, Girlanden, Schärpen, Armbänder und Ringe stehen für die materielle Welt. Avalokiteshvara wird die materielle Welt nicht ohne seine Anhänger verlassen. Laut zahlreicher Legenden sitzt er auf dem Berg Potalka und erhört alle Gebete, die an ihn gerichtet werden.
Er kümmert sich um alle Lebewesen der Welt, ihren Schmerz und ihr Leiden. Als Avalokiteshvara die Qual der Welt beobachtete, überkam ihn eine große Traurigkeit und er weinte. Seine Tränen bildeten einen See, auf dem ein Lotus entstand. Aus diesem Lotus erwuchs die weibliche Göttin Bodhisattva Tara.
Avalokiteshvara besuchte Tibet im 7. Jahrhundert. Die Einheimischen betrachten ihn seither als ihren ersten politischen und geistlichen Führer. Sie hielten ihn für den ersten Bodhisattva und er ist seit dieser Zeit für die Tibeter besonders wichtig. Ihm wird nachgesagt, dass er das Volk aus den Fesseln von Schmerz und Leid befreite und zum Weg des Reinen Landes begleitete. Die Tibeter glauben auch, dass der gegenwärtige Dalai Lama seine Verkörperung ist.
Der Überlieferung nach schwor Avalokiteshvara, nicht eher zu ruhen, bis er die Menschheit vom Samsara (Kreislauf des Lebens) befreit hat. Doch trotz all seiner Bemühungen stellte er nach einiger Zeit fest, dass noch viel zu viel zu tun blieb. Er dachte weiter nach, kämpfte für alle armen Seelen, bis sein Kopf in elf Stücke zerbrach. Buddha segnete ihn daraufhin mit elf Köpfen, damit er seine Mission erfolgreich zu Ende führen kann. Avalokiteshvara konnte nun die bedürftigen Personen leichter finden und ihnen helfen. Ein weiteres Problem stellte sich ihm in den Weg. Er war unfähig so vielen armen Seelen mit nur zwei Händen zu helfen. Wieder half ihm Buddha und segnete ihn mit 1000 Händen. Von seinen 108 verschiedenen Erscheinungsformen, eine heilige Zahl im tibetischen Buddhismus, wird er am häufigsten mit 11 Köpfen und vielen Armen dargestellt.
Legende des Elfköpfigen Tausendarmigen Avalokiteshvara
Doch es gibt auch weitere Legenden über die Taten von Avalokiteshvara. So soll sich der junge Bodhisattva Avalokiteshvara schon als Prinz vorgenommen haben, allen Lebewesen Beistand zu spenden. Er leistete einen Eid, dieses Vorhaben niemals aufzugeben, ansonsten würde er in tausend Stücke zerspringen. Er unterstützte Tiere, Menschen und Götter, kümmerte sich um die Ärmsten der Armen, verhalf der Menschheit zu einem besseren Dasein. Als er sich eines Tages umsah um sein Werk zu betrachten, sah er eine Vielzahl von leidenden Lebewesen herbeiströmen. Für den Bruchteil einer Sekunde zweifelte er an der Erfüllung seines Eides und zersprang daraufhin in tausend Teile. Doch sofort kamen aus allen Himmelsrichtungen Buddhas herbeigeeilt, um die Teile von Avalokiteshvara aufzusammeln. Dank seiner übernatürlichen Fähigkeiten setzte Buddha Amitabha, der Buddha der unterscheidenden Weisheit, Avalokiteshvara wieder zusammen. Dieses Mal gab er ihm jedoch tausend Arme und elf Köpfe. So wollte er gewährleisten, dass Avalokiteshvara den Lebewesen dieser Welt noch effektiver dienen konnte.
Symbolik der 1000 Arme
Die 1000 Arme symbolisieren die mitfühlende Aktivität aller 1000 Buddhas. Im tibetischen Kulturkreis ist insbesondere das Ritual auf den elfköpfigen Avalokiteshvara von großer Bedeutung. Es wurde von der indischen Nonne Palmo im 10. Jahrhundert in Tibet verbreitet. Diesem Ritual werden starke Heilwirkungen zugeschrieben und es trägt daher auch den Namen „Allgegenwärtiges Heil“.
Ursprungsformen von Avalokiteshvara
Chenrezig
Chenrezig ist die tibetische Form des Avalokiteshvara, eine Manifestation des Meditationsbuddha Amitabha und eine seiner vielen Erscheinungen.
Bodhisattva
Avalokiteshvara gehört zu den acht Bodhisattvas die bereits die zehnte Stufe auf dem Weg zur Erleuchtung erreicht haben und kurz vor dem Erreichen des „Buddha Status“ sind.
Mahayana Buddhisten
Für die Mahayana-Buddhisten ist er die wichtigste Gottheit. Avalokiteshvara kann sich, dem Glauben nach, über die Naturgesetze erheben und setzt Raum, Zeit und Materie außer Kraft.
Dalai Lama
Der fünfte Dalai Lama bezeichnete sich und seine Vorgänger (und Nachfolger) als Reinkarnation von Avalokiteshvara. Er ist als Dalai Lama auch das geistig–weltliche Oberhaupt Tibets. Er ist die Verkörperung des wohl bekanntesten tibetischen Mantras „Om Mani Padme (Peme) Hum“.
Das berühmteste Mantra von Avalokiteshvaras
OM MA NI PE ME HUNG
Die weitaus beliebteste Anrufungsformel lautet Om mani padme hum. Das Juwel steht für das allumfassende Mitgefühl und wird daher als das Mantra des Mitgefühls bezeichnet. Erstmals bezeugt ist das Mantra im Karandavyuha-Sutra, das vermutlich bereits im späten 4. oder frühen 5.Jahrhundert in Kaschmir verfasst wurde und der Legende nach über Umwege den Hof des tibetischen Königs Lha Thothori Nyantsen erreichte. Traditionell besteht dieses Mantra aus sechs Silben, die jeweils einzeln betrachtet eine eigene Wirkung besitzen. Sie werden den sechs angestrebten Vollkommenheiten und den sechs zu überwindenden Daseinsbereichen des Samsara zugeordnet:
OM – befreit vom Leid der Götterbereiche
MA – befreit vom Leid der Halbgötterbereiche
NI – befreit vom Leid der menschlichen Lebensbereiche
PAD – befreit vom Leid der Tierbereiche
ME – befreit vom Leid der Bereiche der Hungergeister
HUM – befreit vom Leid der Höllenbereiche
Avalokiteshvaras Streben und Bürde ist es, seine ganze Kraft allen Lebewesen zu widmen und sie beim Überwinden von Leid, Not und Schmerz zu unterstützen.
Weitere Formen von Avalokiteshvara
Es sollen 108 Formen von ihn vorhanden sein. Zumeist wird er aber sitzend und vierarmig dargestellt. In seltenen Fällen auch zweihändig. In seiner stehenden Form wird Avalokiteshvara mit 11 Köpfen und tausendarmig mit einem Auge in jeder offenen Handfläche dargestellt.
Simhanada-Lokeshvara (der mit dem Löwengebrüll)
In dieser Abbildung wird Avalokiteshvara als Arzt dargestellt. Er sitzt auf einem Löwen, mit drittem Auge auf der Stirn, um die Krankheitsursachen zu erkennen. Über seiner Schulter hängt ein Gazellenfell. Er trägt ein flammendes Schwert zur Tötung der krankmachenden Dämonen, eine Schale für die Medizin, ein Lotus (steht für Reinheit) sowie die Schlange.
Sadaksari-Lokeshvara
Die am häufigsten dargestellte Form ist Sadaksari-Lokeshvara. Er nimmt den geschlossenen Lotussitz ein. Auf seinem Kopf befindet sich die fünfzackige Krone über der eine kleine Abbildung Amitabhas schwebt. Er wird vierarmige dargestellt, zwei seiner Arme hält er erhoben. In der rechten Hand sieht man eine Gebetskette mit 108 Perlen, in seiner linken Hand hält er eine voll erblühte Lotusblume. Die anderen zwei Hände erhebt er vor der Brust im Namaskara Mudra, der Geste des Gebets. In seinen gefalteten Händen hält er das Juwel als Zeichen der Weisheit.
Sahasrabhuja-Lokeshvara
Sahasrabhuja-Lokeshvara ist die stehende Darstellung mit elf Gesichtern und 1000 Armen von Chenrezig. So ist es ihm möglich, überall einzugreifen, zu helfen und Leid zu lindern. Auf seinen Handflächen befindet sich je ein Auge, damit ihm keine arme Seele entgeht.
Ekadasa-Mahakarunika Lokeshvara
Das allumfassende Mitgefühl verkörpert er in der stehenden, elfgesichtigen Form als Ekadasa-Mahakarunika Lokeshvara.
Amoghapasa-Lokeshvara
In dieser Form wird Avalokiteshvara achtarmig und stehend auf einem Lotus mit fünfblättriger Krone, einem Gazellenfell als Zeichen des unermesslichen Mitgefühls und mit Schmuck dargestellt. Seine Hände formen die Gesten zur Abwehr von Dämonen und schlechten Energien. Sie verkünden zudem die allumfassende Weisheit.
Kamandalu-Lokeshvara
In der Abbildung als Kamandalu-Lokeshvara hält Avalokiteshvara eine kleine Kanne, die mit Juwelen gefüllt ist. Er wird achtarmig dargestellt und steht im Ausfallschritt. Seine Arme halten Pfeil und Bogen, die die Gleichgültigkeit gegenüber der buddhistischen Lehre vertreiben sollen.
Dharmadatu-Lokeshvara
In dieser Darstellung wird Avalokiteshvara stehend mit 2 Händen und fünfblättriger Krone und Gazellenfell gezeigt. Die rechte Hand angehoben und nach vorne geöffnet, offenbart sie das Absolute.
Padmapani – Lotusträger
Die älteste Darstellungsform Avalokiteshvaras ist Padmapani. Er wird als junger Mann mit weiblichem Ausdruck und mit einem Lotus in der linken Hand dargestellt. Zweiarmig und stehend krönt zudem eine fünfzackige Krone sein Haupt.
Halahala-Loketishvara
In dieser speziellen Form stellt er den Herr des Giftes dar. Er schützt alle Lebewesen vor Vergiftung und Tod. Avalokiteshvara wird dreigesichtig oder dreiköpfig dargestellt, zudem mit dem dritten Auge auf der Stirn. Sein rechtes Gesicht ist blau vom Gift, sein linkes rot vor Zorn, sein mittleres weiß wegen seines wahren Charakters der Gleichmütigkeit. Pfeil und Bogen, Mala und Yogini Gita sind an seiner Seite zu sehen.
Wo stelle ich meine Avalokiteshvara Statue am besten auf?
Wie bei allen asiatischen Statuen, findet auch jede Avalokiteshvara Statue ihren wahren Besitzer. Aufgestellt an einem Ort der Ihnen wichtig ist, unterstützt die Statue die Wunscherfüllung, löst Negativität auf, beschützt vor Gefahr, Krankheit und Leid und stärkt das Mitgefühl. Das Raumgefühl füllt sich mit spiritueller Verwirklichung und geistigem Frieden.